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Wie das Klettern aus Patxi Usobiaga einen besseren Menschen macht

Wie das Klettern aus Patxi Usobiaga einen besseren Menschen macht

Mit 41 Jahren hat der Spanier Patxi Usobiaga vieles erreicht. Er blickt auf eine lange, erfolgreiche Laufbahn als professioneller Fels- und Sportkletterer sowie Boulderer zurück. Er hat in seiner Karriere zwei Lead Climbing World Cups in Folge gewonnen und kletterte während seiner Karriere 267 Routen in den Schwierigkeitsgrad 8a bis 9a+, 158 davon „onsight“. Er war der erste Kletterer, dem es gelang, eine 8c+ Route onsight (Bizi Euskaraz, in Etxauri, 2007) zu klettern.

Doch dass Erfolge immer ein Ende von etwas darstellt und gleichzeitig einen Anfang von etwas anderem, das hat Patxi in seinem Leben mehr als einmal erlebt. In diesem ausführlichen Interview mit dem sympathischen Energiebündel geht es um die Leidenschaft als Motor auf dem Weg zum persönlichen Glück, um die Liebe auf den ersten Blick, um die Macht der Resilienz, um Vertrauen und Freundschaft und darum, wie die zerstörerischen Elemente der eigenen Persönlichkeit in positive Energie umgewandelt werden können. Inspirierend und faszinierend – ein ganz persönlicher Einblick in das Leben und die Persönlichkeit des neuen Mitglieds der deuter Alpine Family.

Ein Blick zurück auf den Anfang

Patxi begann im Alter von zehn Jahren in seiner baskischen Heimat Atxarte mit dem Klettern. Die ersten vier Jahre sicherte ihn dabei sein Vater. Bereits mit 15 Jahren kletterte er in Araotz mit der Conan Dax Librarian seine erste 8a-Route und noch im gleichen Jahr – ebenfalls in Araotz – mit der Parva Naturalia auch seine erste 8b-Route im Rotpunkt-Stil. In den Jahren 1994 bis 1999 startete er bei Jugend-Wettbewerben, ehe er 2000 erstmals beim Lead Climbing World Cup antrat, um 2003 in Edinburgh in diesem Wettbewerb seine erste Goldmedaille zu erringen.

 

Auf der Erfolgsleiter bis zum Neubeginn

Im Alter von 26 Jahren gewann der Baske seinen ersten Vorstieg-Weltcup. Im folgenden Jahr dann direkt seinen zweiten. Im Jahr 2007 wurde ihm für diese herausragenden Leistungen mit dem Salewa Rock Award dafür die verdiente Auszeichnung zuteil. Zwei Jahre später, 2009, gewann er die Lead Climbing World Championships im chinesischen Qinghai, nachdem er zuvor bereits dreimal Zweiter gewesen war (in 2003-2005 und 2007). Ende 2009 musste er sich einer Schulteroperation unterziehen, ehe er nach einer dreimonatigen Rehabilitationsphase wieder voll ins Training einstieg. Im Juni 2010 folgte ein weiterer Rückschlag: Bei einem Autounfall erlitt er einen schmerzhaften Bandscheibenvorfall. Das führte schließlich dazu, dass er 2011 seinen Rückzug aus der Wettkampf-Szene bekannt gab.

Patxi, deine Kletter-Biografie erscheint unwirklich. Du bist einer der erfolgreichsten Kletterer der letzten Jahre. Dein Name wird in einem Atemzug mit anderen Kletter-Ikonen wie Alex Honnold und Adam Ondra genannt. Wie würdest du dich selbst beschreiben?

Es ist immer schwierig, sich selbst zu beschreiben. Ich würde sagen, ich zähle zu den Menschen, die viel von sich selbst erwarten. Außerdem glaube ich, dass ich sehr leidenschaftlich bin bei den Dingen, die mir Spaß machen. Vor allem, wenn sie mit körperlicher Aktivität zu tun haben und höchste Ansprüche an mich selbst stellen. Bezogen auf das Verfolgen von Zielen bedeutet das für mich, dass der Prozess der Entwicklung nie aufhört.

Was bedeutet das Klettern für dich?

Es ist ein Weg, mein Glück zu finden und mich zu verwirklichen. Wir alle brauchen etwas, wofür wir kämpfen können, einen Grund, um uns zu verbessern und vielleicht auch ein besserer Mensch zu werden. Das gelingt mir beim Klettern. Und so ist es zu meiner Leidenschaft geworden, der ich mich verschrieben habe.

Was hat dich zum Klettern gebracht – oder war das eine innere Berufung?

Es war Liebe auf den ersten Blick. Ich habe es zum ersten Mal im Fernsehen gesehen, und dann habe ich es ausprobiert. Ich war noch nie sehr stark, das galt erst recht, als ich jünger war. Aber ich war zäh und ausdauernd. Und wie viele andere Ausdauersportler auch, war und bin ich in der Lage, mich durchzukämpfen, zu quälen und dranzubleiben, bis ich meine Ziele erreiche.

Wie hat alles angefangen und warum wurdest du anfangs regelrecht süchtig nach Klettern?

Ich weiß es nicht. Es ist einfach passiert. Eine meiner Stärken und gleichzeitig Schwächen ist, dass ich sehr hart zu mir bin. Das hat dazu geführt, dass ich anfangs oft frustriert war, weil ich etwas unbedingt wollte, es aber nicht erreichen konnte. Nach und nach gelang es mir besser damit umzugehen und ich habe meine Ängste überwunden. So konnte ich anfangen, die Routen zu klettern, die ich wollte, und mich so zu entwickeln, wie ich es mir vorstellte.

Felsklettern, Sportklettern, Bouldern … gab es eine bestimmte Reihenfolge, in der du die verschiedenen Kletterarten für dich entdeckt hast? Und wenn ja, warum und wie hast du von einem Stil zum anderen gewechselt?

Ich war von Anfang an ein Sportkletterer. Dann habe ich mich über einen langen Zeitraum meines Lebens dem Wettkampfklettern gewidmet, der anspruchsvollsten Variante dieser Sportart. Ich mag das Sportklettern, weil es so anspruchsvoll ist.



Hattest oder hast du einen bevorzugten Stil und warum?

Eigentlich mag ich alle Stile, aber aus bestimmten Gründen habe ich mich auf leicht überhängende Wände spezialisiert. Das ist der Winkel, in dem meine Verletzungen es mir erlauben, alles zu geben, und der es mir ermöglicht, Spaß zu haben, wenn ich versuche, schwierige Projekte zu klettern. Ich gebe gerne mein Bestes, aber an extrem überhängenden Wänden verletze ich mich nur. Entweder habe ich Glück. Oder es ist Schicksal, dass ich in einem Paradies mit leicht überhängendem Fels lebe.

Wie würdest du deinen Kletterstil oder deine Herangehensweise an das Klettern beschreiben?

Ich weiß, wie ich das Beste aus meinen Ressourcen machen kann. Ich kenne meinen Körper sehr gut und das hilft mir, das Potenzial zu 100 % auszuschöpfen.

Wo kletterst du am liebsten, was ist dein Lieblingsklettergebiet und warum?

Coll de Nargó, Ceuse, Frankenjura, Red River Gorge, Montserrat und Siurana sind meine Lieblingsgebiete. Jedes unterscheidet sich komplett vom anderen, aber alle bieten außergewöhnliche Felsen, und die Routen sind von höchster Qualität.

Gibt es ein Klettergebiet, von dem du immer noch träumst, das du aber noch nicht erkundet hast?

Es gibt viele Orte, an denen ich noch nicht gewesen bin. Fast alle sind weit weg von hier. Das bedeutet, dass ich das Klettern hier zu Hause in aller Ruhe genießen kann. Aber klar, Yosemite, Indian Creek, Hueco Tanks, Rocklands und viele andere stehen noch auch auf meiner Liste.

Wer ist dein liebster Kletterpartner und warum?

Ich liebe es, mit meinen Freunden zu klettern, mit motivierten Freunden. Wir können viel miteinander reden, ohne dass das Klettern das Wichtigste ist. Und weil wir so viel Spaß haben, durchklettern wir die Route meist auch erfolgreich.

Was bedeutet die Schwerelosigkeit (Zero Gravity) für dich?

Der Gedanke daran gefällt mir nicht. Schwerelosigkeit würde bedeuten, dass es unmöglich wäre, die Herausforderungen der Schwerkraft zu genießen. Deshalb liebe ich die Schwerkraft.



Du bist der Trainer von Adam Ondra. Wie kam es dazu?

Adam und ich haben uns zum ersten Mal getroffen, als wir bei den Weltmeisterschaften 2009 gegeneinander angetreten sind. Das war das Jahr, in dem ich gewann und er Gold nur knapp verpasste. Im selben Jahr kämpften wir auch um den Weltcup, und hier ging Adam als Sieger hervor. Ich beendete das Jahr mit einer Operation, nachdem ich mir auf der Pachamama die Schulter ausgekugelt hatte. Danach hatte ich noch drei Weltcups vor mir. Anschließend zog ich mich vom Wettkampf-Sport zurück und begann 2012 mit dem Training bei PUC. Zwei Jahre später, im Jahr 2014, begannen wir unsere Zusammenarbeit mit nur einem Ziel vor Augen: dem Gewinn der Lead Climbing World Championship. Schon im selben Jahr gewann Adam die Boulder-Weltmeisterschaft und die Lead-Weltmeisterschaft. Seit dem Beginn unserer gemeinsamen Arbeit haben sich die Ziele verändert, weiterentwickelt und gewandelt, immer abhängig von seiner Motivation. Es macht großen Spaß, mit ihm zu arbeiten. Adam ist Motivation pur. Deshalb ist es etwas Besonderes, ihm bei den Prozessen zu helfen, die ihn motivieren und meine Erfahrungen mit ihm zu teilen, wenn es darum geht, Routen zu meistern, zu gewinnen oder bereit für die Erreichung der gesteckten Ziele zu sein.

Was, glaubst du, macht eure Beziehung so besonders? Er sagt über dich: „Er ist der Einzige, dem ich wirklich und vollständig vertraue.“

Ich nehme an, ich gebe ihm das notwendige Vertrauen. Ich kenne ihn, ich weiß, was für ein Mensch er ist, außerdem haben wir sehr ähnliche Persönlichkeiten. Das bedeutet, dass meine Erfahrung uns hilft, einander zu vertrauen.

Worauf konzentrierst du dich in deinem Coaching? Mentale und körperliche Stärke? Techniken? Strategien? Oder eine Kombination aus all dem?

Da meine Trainingsplattform online ist, liegt der Fokus auf den Zielen, die ich online erreichen kann, die ich gut beherrsche und mit denen ich vertraut bin: mental, körperlich und strategisch. Es ist schwierig, online an der Technik zu arbeiten. Dazu muss man sich am selben Ort befinden wie der Sportler. Das heißt aber nicht, dass sich die Technik durch meine Trainingsinhalte nicht verbessert. Denn durch das mentale und körperliche Training wird man sich seiner Bedürfnisse bewusster und kann sich so auch technisch verbessern.



Was ist mit der Ausrüstung? Wie wichtig ist sie? Hast du zum Beispiel ein Lieblingsprodukt?

Die Ausrüstung ist sehr wichtig. Es ist entscheidend, dass sie mir Vertrauen vermittelt, dass ich mich auf sie verlassen kann, dass sie mir ein Mehr an Sicherheit und Leistungsfähigkeit gibt. Ich liebe es z. B. mit dem Gravity Motion und dem Gravity Rope Bag zum Sportklettern zu gehen und zu trainieren. Wenn ich mehr Ausrüstung transportieren muss und vor allem, wenn ich mit schwerem Gepäck losziehe, benutze ich den Gravity Wall Bag und das Gravity Rope Sheet für meine Seile. Ich finde diese Produkte großartig. Mir gefallen das brillante Design und der ganze Stil. Darüber hinaus sind sie gut für mich, weil ich Probleme mit meinem Nacken habe (ich wurde 2019 an einem Bandscheibenvorfall in der Halswirbelsäule operiert). Sie sind ergonomisch konstruiert und verteilen das Gewicht gut auf dem Rücken – das ist sehr wichtig für einen Rucksack – gerade für mich. Und wenn ich mich auf die Reise zu Veranstaltungen mache, nehme ich den Aviant Duffle Pro 40 mit – er ist unglaublich. Außerdem mag ich den Gravity Chalk Bag II L, er hat die perfekte Größe, liegt super in der Hand, ist robust und hat zwei Brush Holder – gut, falls man mal einen fallen lässt. Ich bin sehr zufrieden mit der Ausrüstung von deuter!

Wie hast Du es geschafft, nach deinem Autounfall wieder auf die Beine zu kommen? Was hat dir die Kraft und den Willen gegeben, wieder zu klettern und deinen größten Erfolg „Pachamama“ zu klettern?

Als man bei mir einen Bandscheibenvorfall diagnostizierte, war ich sofort aus dem Spiel. Die nächsten drei Jahre verbrachte ich mit Surfen und dem Versuch, glücklich zu sein. Und ich war glücklich. Ich lebte allerdings ein ganz anderes Leben, als ich es bis dahin gewohnt war. Doch eines Tages kehrte ich in jene Welt zurück, die so lange mein Leben gewesen war. Pachamama war in gewisser Weise der Wendepunkt. Ich hatte das Gefühl, dass ich zurückkehren und es zu Ende bringen musste. Acht Jahre später war ich dort, um dieses Ziel zu erreichen!



Ist das dein größter Erfolg? Oder was siehst du als deinen größten Erfolg?

Ich würde sagen, es war einfach ein weiteres Ziel, das ich erreichen konnte. Nichts ist vergleichbar mit dem Gewinn eines Weltcups oder einer Weltmeisterschaft. Denn das liegt nicht nur an einem selbst. Aber ja, es war definitiv eines meiner herausforderndsten Projekte in den letzten zehn Jahren. Es ist schwierig, eine solche Frage zu beantworten. Denn jede Strecke, die man zurücklegt, oder jeder sportliche Erfolg, den man erringt, ist ein Ende und gleichzeitig der Beginn eines neuen Projekts.

Was bedeutet Alt Urgell für dich? Wie würdest du dein Heimatland und den Einfluss, den es auf dich, deinen Charakter und dein Klettern hat, beschreiben?

Das Schicksal hat mich hierhergeführt. El Contrafort de Rumbao hat mich mit verschiedenen Routen gefangen genommen, mich verrückt gemacht, sie zu klettern. Dabei lernte ich Ingrid kennen, mit der ich eine Familie habe. Und ich bin dem Schicksal dankbar, dass ich jetzt hier bin, mit meiner Familie und mit so viel Fels, so vielen Routen und Projekten um mich herum. Dieses Tal ist unglaublich.

Wie sieht der perfekte Tag für dich aus?

Ich wache mit meiner Familie auf, mache uns ein paar leckere Pfannkuchen und wir genießen sie mit einem guten Tee. Danach geht’s zu einer schönen Wand. Ich bohre eine Linie, die ich gefunden habe, ziehe meine Schuhe an und klettere los. Und das alles in netter Gesellschaft und mit viel Lachen.

Was machst du, wenn du nicht gerade kletterst?

Es gibt Momente, in denen ich sehr kreativ bin und gerne über neue persönliche Projekte nachdenke. Deshalb ist es unwahrscheinlich, dass man mich stillsitzen sieht.



Worauf bist du am meisten stolz und woran würdest du gerne noch arbeiten?

Wenn ich auf meine sportliche Karriere zurückblicke, bin ich stolz darauf, wie ich gekämpft und alles erreicht habe, was ich mir vorgenommen habe. Der Sport macht einen zu einem bestimmten Typus Mensch. Und wenn man solche hohen Ansprüche an sich selbst stellt, kann sich das manchmal in etwas verwandeln, das nicht so gesund ist. Deshalb muss ich lernen, mit diesen Gefühlen und Sichtweisen umzugehen.

Wie würden dich deine Freunde beschreiben, zum Beispiel Alex? (Alexander Hick drehte den Film ‚Long Way Home‘ über Patxi)

Er sagt: „Ich traf Patxi vor zwei Jahren in der örtlichen Kletterhalle, die er damals aufbaute. Er erzählte mir von einigen geheimen Kletter-Spots und von seiner jüngsten Kletterreise, bei der er sich vom Wettkampf-Klettern und von wettbewerbsorientierten Denkmustern mehr und mehr entfernte. Jetzt, zwei Jahre später, nach vielen Klettertouren an bekannten und weniger bekannten Orten im gesamten Alt Urgell (einem Gebiet im Norden Kataloniens), verstehe ich, dass das Klettern ihm eine Lektion erteilt hat. Durch seine Egozentrik und das strikte Verfolgen seiner eigenen Prinzipien hat er große Kletterwettbewerbe gewonnen, aber er hat dabei auch das zerstörerische Element gespürt – er hat es mittlerweile hinter sich gelassen. Patxis Motivation zum Klettern ist dennoch überwältigend. Doch gleichzeitig kümmert er sich auch um andere, erschließt für Leute wie mich jede Menge Routen mit erreichbarem Schwierigkeitsgrad und pflegt eine ausgeprägte Klettergemeinschaft. Die Kinder in seinem Dorf klettern gerne in der von ihm gebauten Halle. Das ist sein Vermächtnis und eine Erinnerung daran, wie sehr er selbst es genossen hat, als 10-Jähriger zu lernen, sich am Fels zu bewegen.“